Beiträge mit dem Schlagwort: Irische Pferde

180 km auf dem Pferderücken durch Irland, Teil 5

Unser Ziel des 6. und letzten Reittages war der Atlantik. Als wir an diesem Morgen unter stahlblauem Himmel und strahlender Sonne unsere Pferde von der Weide holten, war die Stimmung natürlich auf dem Höhepunkt. Atlantik und dann noch bei Sonnenschein und sage und schreibe 27 Grad! Der Vormittag belohnte uns mit einem Ritt vorbei an endlosen Pferdeweiden mit glücklichen Pferden, mit denen man jederzeit hätte tauschen wollen.

Unsere Mittagsrast verbrachten wir im Schatten und sammelten Kräfte, da ein langer Anstieg vor uns lag,  in dessen Verlauf wir unsere Pferde führen würden. Der Weg war zu steinig und uneben zum Reiten. Und das heißt schon was, wenn man sich vor Augen führt, wie trittsicher die irischen Pferde sind. Chaddagh trottete zufrieden hinter mir her und nutze jede Gelegenheit, bei der ich schnaufend stehend blieb, zum Grasen. Ich sag nur, wer sein Pferd liebt, führt 😉

Und dann waren wir oben. Also nicht nur oben, sondern ganz oben, mit Atlantik! Blauschimmernd wie Seide erstreckte er sich weit unten unter dem schönsten Wetter, das man sich vorstellen kann, bis zum Horizont. Atemberaubend. Zur einen Seite sah man die Bucht von Connemara, zur anderen, weit in der Ferne, die Cliffs of Moher. Dazwischen grüne Wiesen und Felder, die sanft bis zum Meer abfielen. Es gibt Schönheit, die weh tut. Kennt ihr doch sicher auch! Man sieht etwas, dass in seiner einzigartigen Schönheit so überwältigend ist, dass man denkt: „Viel Schöneres kann im Leben nicht mehr kommen. Wenn ich jetzt sterben würde, wärs auch gut!“ Tatsächlich kullerten mir die Tränen über die Wangen, während ich jeden Blick in mich aufsog und ihn tief, tief speicherte, in meiner privaten Schatzkammer. Jetzt, wenn ich mir die Bilder erneut anschaue, ist es sofort wieder da, das Gefühl.

Das Blöde an wunderschönen Dingen ist, dass sie irgendwann zu Ende gehen. So wie dieser Wanderritt. Wir sausten in einem letzten Galopp dahin, den Atlantik im Blick, Glück und Abschiedsschmerz im Herzen und nahmen Abschied. Von einem unvergleichlichen Erlebnis in einem wunderbaren Land, von Pferden, die uns gelassen, zuverlässig und schnell wie der Wind durch unvergessliche Landschaften getragen und die jetzt einen Platz in unseren Herzen haben und von einem Menschenschlag, der so bodenständig, freundlich und lustig ist, dass man sicher wiederkommen will. Good-Bye Irland!

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180 km auf dem Pferderücken durch Irland, Teil 4

Howdy, cowboys and cowgirls, ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende! Ich merke gerade, dass meine Erinnerungen an die Details des Wanderritts zu verblassen beginnen, drum schrieb ich das hier rasch noch nieder. Wär ja schad drum 😉

Wo war ich stehengeblieben? Richtig, Chaddagh, meine Stute, die mich in den ersten 2 Tagen des Trails zwar rasend schnell und verlässlich über Stock und Stein trug, mich gleichzeitig aber auch konsequent durch Missachtung strafte. Trotz Bestechungsversuchen mit Pferdeleckerlis.

Chaddagh war schon ein Unikat. Absolut trittsicher, ehrgeizig und lauffreudig bis zum Anschlag, zickig mit Stil (ihre Kicks mit beiden Hinterbeinen gegen jedes Pferd, das sich ihr von hinten näherte, hatten durchaus auch Eleganz) und definitiv ihren eigenen Kopf. Ein echtes irisches Mädel eben! Bis zum dritten Tag hielt ich sie auch für unerschütterlich. Wie ein Uhrwerk stapfte sie durch Morast, über Asphalt, durch Wasser, erklomm steile Aufstiege und ebenso steile Abstiege. Bis wir nach einem besonders steilen Aufstieg durch absolut menschenleere, irische Wildnis völlig überraschend, ganz oben auf dem Berg eine einsame Wanderin trafen. Chaddagh quittierte diese Erscheinung zutiefst geschockt mit einem seitlichen Riesensatz in die völlig versumpfte Landschaft jenseits des Trailpfads, weigerte sich beharrlich zurückzukommen und beäugte seit diesem Zeitpunkt äußerst misstrauisch ihre Umgebung und entwickelte zudem eine tiefe Abneigung gegen rote Reisebusse.

Unseren 4. Trailtag verbrachten wir in der absolut einzigartigen Landschaft des Burren Nationalpark und konnten kaum fassen, dass wir noch in Irland waren. Was für eine bizzare Ecke dieser Welt!

Wir meisterten am 3. Nachmittag einen beachtlichen Anstieg, der Pferd und Reiter einiges abverlangte, uns aber durch atemberaubende Höhenausblicke belohnte.

Oben angekommen, als wir eine kurze Verschnaufpause einlegten, beschloss Chaddagh, oh Wunder, mich doch zu mögen. Mit einem Seufzer schob sie mir  spontan ihren großen, irischen Irish Cob/Irish Hunter-Schädel in den Arm und ließ sich schmusen. Für Nicht-Pferdeliebhaber mag sich das dämlich anhören, für Pferdenarren kommt so etwas dem Paradies sehr nahe 😆 Wir waren nun dicke Freunde!

Ganz schön müde und ebenso glücklich erreichten wir am frühen Abend unsere Tagesetappe, das irische Bilderbuchstädtchen Lisdoonvarna. Bilderbuch deswegen, weil es dort genauso aussah, wie in einem Irlandprospekt, bunte Fassaden überall, ein Pub neben dem andern und das ganze bei strahlendem Sonnenschein 😆 Der Abend war schon vorab durchgeplant, erst was futtern, dann mit dem Bus zum Sonnenuntergang zu den weltberühmten Cliffs of Moher und noch später dann auf ein paar Guiness ins Pub. Im Hotel aß ich mein erstes, landestypisches Irish Beef & Guiness Stew. Hoher Suchtfaktor, sag ich nur, man bekam sogar Nachschlag, ich hätte es mit einem Suppenlöffel aus der Badewanne essen können *Sabber* Der Sonnenuntergang bei den Klippen war einer der schönsten meines bisherigen Lebens. Hier ein paar Impressionen.

Äußerst gut gelaunt machten wir uns im Anschluss ins Pub auf, wo bei unserer Ankunft schon der Bär steppte. 17 (!) irische Musiker jeden Alters saßen beisammen und fiedelten und tröteten auf diversen Quetschkommoden, Fideln und Banjos herum, dass man sofort in den Mitwippmodus schaltete. Das Publikum war, nun ja, ungewöhnlich. Viele Einheimische, darunter eine besonders ins Auge fallende Großfamilie: Die Mutter trug eine schwarze Augenklappe, 1 Sohn hatte eindeutig ein komplettes Schafffell auf dem Kopf, der Rest der Familie war ausreichend betrunken. Es gab auch einige Touristen, wobei vor allem eine große Gruppe extrem fröhlicher und extrem betrunkener Japaner auffiel. Weiter hinten im Raum tanzte begeistert ein irischer Brad Pitt im Kreis herum. Ein charmanter, älterer Herr, geschätzte 100 Jahre alt und ganz offensichtlich der Bandleader, griff zum Mikrofon und gab ein typisch irisches Lied zum Besten.

Das nächste Lied kündigte er mit einem Blick in unsere Richtung an:  „The next one is dedicated to the four hot blondes over there!“ Wow, er meinte Tara, mich und die zwei flotten Schweizerinnen aus unserer Gruppe, mit denen wir uns angefreundet hatten. Hochmotiviert klatschten wir mit und schunkelten herum. „And now, everyone, who wants to sing, just feel free to come over here, grap the microfone and SING!” kündigte der irische Frank Sinatra gut gelaunt an. Sofort stürzte ein euphorisch angetrunkener Japaner nach vorne, der eine denkwürdige japanische Interpretation von “My way” anstimmte. Es hat schon was für sich, zu erleben, wie ein übervolles, alkoholisiertes Pub kollektiv versucht. Japanisch „My way“ zu singen 😉

„What about the four hot Blondes?” schmunzelte uns der bandleader an. 1 Sekunde später standen die four hot Blondes in der Pubmitte und brüllten sich bei “Marmor, Stein und Eisen bricht,” die Lunge aus dem Leib. Es folgten noch eine erstaunlich gute Darbietung von „La vie en rose“ und der irische Brad Pitt sang mit sichtlich gerührter Stimme gar fürchterlich „Moon river“.

Laut singend traten wir den Heimweg an und fielen glücklich, müde und heiser in die Federn.

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180 km auf dem Pferderücken durch Irland, Teil 3

Hatte ich nicht noch ein paar Pferdeleckerli in meiner Regenjacke? Kram, kram, oh ja, da waren sie ja. 10 Stück. 2 für jeden Tag. Damit müsste ich Chaddagh doch bestechen können. Tara ging es am nächsten Morgen leider noch schlechter, Mist, ich schlug ihr vor, 1 Tag auszusetzen, aber sie wollte nichts verpassen, logisch.

Nach einem weiteren, immens üppigem, irischen Frühstück ging es auf zum eigentlichen Trail. Die Stimmung in der Gruppe war großartig. Deutlich sicherer als am 1. Tag holten wir die Pferde von der Weide und sattelten sie. Sie hatten sich an diesem Morgen etwas besonders Nettes ausgedacht. Sie erwarteten uns am hintersten, schlammigsten Ende der Wiese. Ich schwöre, sie haben gegrinst, als wir uns ihnen näherten.

 

 

 

 

 

Heimlich schob ich Chaddagh ein Leckerli ins Maul. Völlig desinteressiert an mir vertilgte sie es und schaute geflissentlich an mir vorbei. Pute. Natürlich gab es im Vorfeld fleißige Diskussionen darüber, ob und wann man sich beim Wanderritt wundreiten würde. Immerhin saßen wir täglich 5-7 Stunden im Sattel. Ich hatte mir vorsorglich eine gepolsterte Reitunterhose gekauft und diese, muss ich sagen, trug mich wundlos durch den Wanderritt. Ein Wanderritt hat den immensen Vorteil, dass man nicht nur reiterlich auf seine Kosten kommt, sondern mit dem Pferd in Gebiete vorstoßen, in die man ansonst, wenn überhaupt, nur mühsamst zu Fuß käme. So drangen wir gleich am ersten Trailtag tief in die irische Natur ein und ritten durch grandiose Torf- und Moorlandschaften, wateten durch kniehohen Morast und staunten wie die Blöden, dass die Pferde das einfach so konnten. Und dann dieser Galopp. Immer wieder dieser Galopp. Wir waren am zweiten Reittag schon so angefixt, dass wir die Pferde sogar noch antrieben und diese sich flach machten um noch schneller galoppieren zu können. Wenn wir Schritt gingen oder trabten, ließen wir den Blick schweifen und labten uns an dem satten Grün, dem Blick in weite Täler, über schimmernde Seen, Waldwipfel am fernen Horizont.

 

 

 

 

 

Am 1. Trailtag war es bedeckt und wie auch an den folgenden Tagen dominierte die Frage nach dem Nachmittagswetter die Mittagspause. „Will it rain, Nikola?“ „Will it rain, Bertie?“ wollten wir wissen. „Maybe.“ War die immergleiche Antwort. Optimisten, die wir waren, bestritten wir den Nachmittag „nur“ in Regenjacken, ohne Regenhosen und prompt regnete es 2 Stunden. Quietschnass kamen wir im Abendlager an. Quietschnass, aber glücklich. Ich entließ eine zwar mit Leckerli bestochene, aber nach wie vor völlig gleichmütige Chaddagh in the fields. Arschkröte.

Tara indes ging es echt mies. Sie hatte den Tag gerade so überlebt und hing abends völlig schlapp am Essenstisch. Hanna, eine pragmatisch freundliche Mitreiterin schlug Tara vor, Belladonna-Kügelchen einzunehmen. Tara, die NULL öko und so ist, musste es echt sehr schlecht gegangen sein, da sie die Kügelchen tatsächlich einnahm. Ob ihr es glaubt oder nicht. 1 Stunde später war sie der voll gesundete Speedomat. Hexerei, ich sags euch. Das war natürlich super, denn ab dem Zeitpunkt konnte sie den Trail erst richtig genießen und kein Galopp war nun schnell genug.

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180 km auf dem Pferderücken durch Irland, Teil 2

Das lang ersehnte Abendessen nahte und wir waren nicht nur hungrig, sondern auch neugierig auf unsere Reitgruppe. Die internationaler war, als wir dachten. Schweden, Frankreich, Schweiz und Deutschland waren vertreten, alle nett, puh, Glück gehabt. Bei einem typisch deftigen, leckeren irischen Nachtmahl und einigen Guiness lernten wir uns kennen, teilten unsere Vorfreude und fielen schon früh todmüde ins Bett. Jeder in sein uriges, gemütliches Zimmer. Fast war man versucht, zu rufen: „Gute Nacht John Boy!“

„Es geht lo-ho-s!“ war mein erster Gedanke, als ich am nächsten Morgen gut ausgeschlafen die Augen aufschlug. Mit Schwung sprang ich aus dem Bett und schlug mir den Kopf an der Dachschräge an. Aua, zum Glück aus Holz (die Dachschräge!). Tara lag verdächtig schlapp im Bett. Normalerweise ist meine Freundin Tara ein Speedomat. Das, was ich an diesem Morgen im Bett liegen sah, war das Gegenteil eines Speedomats. „Ich glaub, ich bin krank,“ krächzte es unter der Decke hervor. So ein Mist. Tatsächlich hatte sich Tara eine Erkältung mitgebracht, die sich nun, wie so gerne im Urlaub, wenn endlich Zeit dafür da ist, ihren Weg bahnte. Sofort dröhnte ich sie mit Ibuprofen (was anderes hatten wir nicht) voll, in der Hoffnung, der Erkältung Einhalt zu gebieten.

Nach unserem ersten irischen Frühstück, Rührei, Speck, Pilze, Grilltomaten, Toast und dazu dann noch Cornflakes und noch mehr Toast war auch Tara etwas munterer und unsere Gastgeber bliesen zum Abmarsch. Es war dies unser erster, voller Tag in Irland und wir sollten heute unsere Guides und Pferde kennenlernen und einen längeren Proberitt absolvieren. Einfach zum Eingewöhnen und um zu testen, ob die Pferde passen. Am nächsten Tag sollte dann der eigentliche Wanderritt beginnen, in dessen Verlauf wir insgesamt 180 km auf dem Pferderücken zurücklegen würden und als Endziel die Atlantikküste in Galway County vor Augen hatten.

Wenn sich 14 aufgeregte Reiter gleichzeitig in die Reiterkammer drängen und ihre Reitsachen suchen, dauert das seine Zeit, am Ende standen wir aber alle in Montur auf dem Hof und schauten mit großen Augen unserer Zukunft entgegen. Rasch wurden wir in 2 Gruppen à 7 Reiter eingeteilt, mit jeweils 1 Front- und einem Backguide. In unserem Fall waren dies Marine und Cécile, beides französische Studentinnen, die zum Englischlernen auf der Farm waren. In unserer Gruppe waren die 2 netten Schwedinnen, eine französische Familie mit 17jähriger Tochter und wir zwei beide.

„The horses are in the fields, let´s go there,” verkündete Nikola. So läuft das beim Wanderritt. Die horses sind immer in the fields. Am Morgen holt man sie von der Wiese, reitet sie und am Ende einer Tagesetappe lässt man sie, wo auch immer man übernachtet, wieder auf einer Wiese. Wir legten jeden Tag um die 50 km zurück. Mittags kamen Bertie und Nikola mit dem Lunch und dem Hufschmied angefahren und die ersten 3 Tage holten Sie uns am frühen Abend auch ab und brachten uns über Nacht wieder auf die Farm zurück. Die letzten 3 Tage waren wir dann schon zu weit von der Farm entfernt und schliefen unterwegs in verschiedenen Bed and Breakfasts. Die Pferde leben das ganze Jahr über draußen, ohne Ställe, einfach nur in der saftigen irischen Natur, im Sommer wie im Winter. In unserem Fall blieben die Pferde nach einem vollendeten Wanderritt 1 Woche zum Ausruhen auf der Weide, während ihre Kumpels ranmussten und dann waren sie wieder dran. Auf der Farm gibt es genug Pferde.

„Here are your horses,“ hieß es 10 Minuten später, als wir an der Heimatwiese ankamen. 14 Augenpaare schauten uns aus sicherer Entfernung gelassen entgegen.

 

 

„Your horse is Chaddagh ,“(Kadda ausgesprochen) sagte Marine und drückte mir ein Halfter in die Hand. „She is over there. Oh, she is sleeping!“

 

 

Chaddagh war in der Tat sleeping, ignorierte mich zu 100% und weigerte sich auch nur ansatzweise, aufzustehen. Erst als alle anderen von der Wiese waren, bemühte sie sich aufzustehen und mir missmutig durch den knöchelhohen Schlamm zu folgen, den ich bereits auf dem Weg zu ihr hin durchquert hatte. „Quoatsch, Quoatsch“ machte es unter meinen Füßen und ihren Hufen. Chaddagh war sichtlich schlecht gelaunt, ließ sich am Baum anbinden, schaute geflissentlich an mir vorbei und als ich versuchte, sie am Kopf zu streicheln, drehte sie ihn ein wenig angewidert weg und fing demonstrativ an, einen Busch abzufressen. Aha. Wir mussten uns wohl aneinander gewöhnen. Ich putzte sie gründlich, trat einen Schritt zurück und betrachtete sie zum ersten Mal richtig. Wow, und ich dachte immer mein Pferd Lola sei stämmig. Gegen Chaddagh ist sie zierlich und elfenhaft. Chaddagh ist ein Mix aus Irish Hunter und Irish Cob. Vom Irish Hunter hat sie die Schnelligkeit und das Temperament (das ich bald schon kennenlernen durfte), vom Irish Cob die Masse, Gutmütigkeit und enorme Trittsicherheit.

 

 

„Du hübsche Braune, du,“ säuselte ich ihr zu. Gelangweilter Blick in die andere Richtung. Unsere Guides erklärten uns das aufwändige und für einen Wanderritt unerlässliche Sattelprozedere, die Hufe wurden überprüft und kurze Zeit später der erste Sattelkontakt.

 

 

Erste Schritte im Kreis. Wow. Ist die bequem und leichtführig im Maul, stellte ich überrascht fest. Die erste Gruppe war schon aufgebrochen, wir folgten etwa 30 Minuten später nach. So war das immer, und wir trafen jeweils zum Lunch und zum abendlichen Absatteln zusammen. Ich startete an Position 3 hinter Marine, Chaddagh nutzte jedoch die allererste Gelegenheit, das Vorderpferd zu überholen und sicherte sich bis zum Ende des Wanderritts ihre Position gleich hinter dem Leitpferd. Die erste Stunde verbrachte ich staunend. Darüber, wie leichttrittig, wendig, vorwärtsgehend und wach mein auf den ersten Blick eher schwerfällig wirkendes Pferd war. Da hatte ich wohl jemanden falsch eingeschätzt. Fleißig tätschelte ich Chaddagh die ganze Zeit von oben, in der Hoffnung, ihre Gunst zu gewinnen. Fehlanzeige. Mit einigen flotten Trabs und Erläuterungen zum Wanderritt, Land und Leuten, verbrachten wir einen langen, spannenden Vormittag und fielen entsprechend heißhungrig über das Mittagessen, das wir am 1. Tag auf der Farm einnahmen, her.

„In the afternoon, there will be some kanter, ok?” teilte uns Marine mit, als wir nach der Mittagspause aufsattelten. “Wir werden erst lange galoppieren, dann 3 x kurz, es geht zum Teil über Geröll und durch ein Bachbett, aber keine Angst, die Pferde sind das gewohnt, versucht nicht, sie abzubremsen. Ich werde dann das Kommando zum Galopp geben. Ich kann es jetzt nicht sagen, weil die Pferde es kennen und dann sofort losrennen. Ich sage es nur ganz, ganz schnell, dass nur ihr es versteht, ok? Das Kommando heißt: So, are you ready to kanter?” Leichte Verunsicherung machte sich in der Gruppe anlässlich dieser Ankündigung breit. Allerdings nicht sehr lange, denn von vorne ertönte es laut: „Sooooo…“ Mehr war nicht zu hören, denn Marine war samt ihrem temperamentvollen Rappen Paddy weg. Und Chaddagh hinterher. Und die ganze Meute hinterher. Wow, was war das? Sind die Pferde durchgegangen? sauste es durch meinen Kopf.  In einem halsbrecherischen Tempo ging es über Stock und Stein, es schien, als würden die Pferde immer schneller werden. Nach den ersten Schrecksekunden realisierte ich, dass das schlicht und einfach das Galopp-Grundtempo war. Und das war wirklich mal schnell. Von da an jagte ich wie ein Pfeil einfach nur noch in diesem Affenzahn hinter Marine her und in meinem Kopf klang es wie ein Mantra: „Mein Gott, wie geil. Wie ober-, ober- obergeil. Lass es nie, nie aufhören.“ Nach jedem Galopp hatte ich das Gefühl, die Fliegen aus meinem Grinsegebiss puhlen zu müssen. Nach dem ersten Galopp warf ich einen vorsichtiger Blick nach hinten, ob Tara noch lebte. Sie lebte. Aber gerade so. Die anderen saßen genauso erstaunt und sichtlich glücklich auf ihren Pferden wie ich.

Am späten Nachmittag sattelte ich stolz und glücklich meine Chaddagh ab und erzählte ihr ausgiebig, was für ein tolles und schnelles Pferd sie sei. Todesverachtung in die andere Richtung.

Am Abend, während wir wie hungrige Raubtiere über Stew und Guiness herfielen, gab es natürlich nur ein Thema: den Galopp. Wir einigten uns darauf, dass er obergeil ist, man das gerne den ganzen Tag machen würde und dass Tara, der es morgen sicher besser gehen würde, es auch obergeil finden würde. In dieser Nacht schlief ich, Frau Oberschlafnicht, wie eine Tote.

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180 km auf dem Pferderücken durch Irland, Teil 1

Es war schon immer mein Traum gewesen, in Irland reiten zu gehen. Schon immer, immer, immer. Den Traum Irland scheine ich mit vielen Menschen zu teilen, denn als ich erzählte, diesen Traum im August umsetzen zu wollen, hörte ich von allen Seiten: „Ohhh, davon habe ich schon immer mal geträumt. Irland muss soooo schön sein!“ Ich beschloss, meine Erwartungen sicherheitshalber runterzufahren, falls Irland dann doch nicht so schön sein und falls es nur regnen sollte. Ich kann euch schon gleich sagen: Irland ist genauso schön, wie ich es mir erträumt hatte. Ach was, noch viel schöner. Und so viel regnet es gar nicht.

Bereits Anfang des Jahres hatte ich mit meiner Freundin Tara, mit der ich vor 2 Jahren bereits in Polen reiten war, einen Wanderritt durch Clare und Galway County im Westen Irlands gebucht. Seitdem stieg die Vorfreude konstant. Anfang August starteten wir mit ausreichend schweren Koffern, da wir alle Wetterlagen einplanten und fluchten 10 Tage lang über die elend schweren Koffer. Der nächste Wanderritt findet definitiv mit halb so viel Gepäck statt. Wir flogen von Frankfurt nach Dublin und hatten vorab im Internet Bustickets vom Flughafen nach Birdhill gekauft, wo uns ein Transfer zur Ranch bringen sollte. Birdhill, der Vogelberg, witzelten wir beim Hinflug. Das Witzeln verging uns aber, als wir am Flughafen hektisch in den falschen Bus stiegen und, na ja, über Umwege nach Birdhill gelangten. Ich sage nur: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Vor allem, wenn man 2 tonnenschwere Rollkoffer durch halb Dublin rollt, weil man a) in den falschen Bus gestiegen und b) falsch ausgestiegen ist. Aber am Ende war alles gut. Wir einigten uns darauf, dass wir Dublin sonst nie so gesehen hätten und dass es auch ganz gut tat, nach dem langen Sitzen die Beine zu vertreten 😉

Leicht erschlagen saßen wir im komfortablen Überlandbus und ließen die ersten Eindrücke auf uns einwirken: Grün. Grün, grün, grün. Saftiges Grün. Auffallend helles Grün. Tiefes, dunkles Grün. Grün. Wow, Irland ist wirklich, nun ja, grün! Überall Pferde. Cottages. Border Collies vor den Häusern. Kleine Städtchen und Dörfer in der Sonne (jawohl, Sonne!), mit bunten Fassaden und Pubs an jeder Ecke. Irland sieht wirklich so aus, wie man es sich vorstellt. Am liebsten wären wir an jeder Ecke ausgestiegen und hätten laut gerufen: „IST das schön hier!“

Wir hatten im Bus gleich einen Einstieg in den bekannten irischen Humor. „Können Sie uns bitte sagen, wann Birdhill kommt? Dort müssen wir aussteigen,“ baten wir einen der beiden Busfahrer. „Hey Ian, sag den beiden blonden girls bloß nicht, wann birdhill kommt, ok? Auf gar.keinen.Fall, verstanden? Niemals!“ raunte Busfahrer 1 Busfahrer 2 zu. Großes Gelächter. Die haben was, die irischen Jungs 😉 Unsere Frage war durchaus berechtigt, da die irischen Überlandbusse einfach überall dort anhalten, wo Passagiere aussteigen wollen. Man weiß nie so recht, was eine Haltestelle ist und was nicht. Schließlich stiegen wir in Birdhill aus. Hämmernde Metropole Birdhill 😉 Wir zerrten unsere Containerkoffer aus dem Bus und schauten uns um. Ein kleiner Transporter stand auf der anderen Straßenseite, aus dem offenen Fenster schmunzelte uns belustigt ein Ire an, stellte sich als Bertie vor und fragte uns, ob das mit den Koffern unser Ernst sei. *schäm*. Aufgeregt stiegen wir ein, luden 20 Meter weiter noch 2 schwedische Mitreiterinnen ein und fuhren plappernd los. Bertie erzählte uns etwas, das sich anhörte wie „örlöwörlobörlo,“ und eindeutig Irisch sein musste. Oh Gott, absolut unverständlich. Ich habe so angestrengt versucht zuzuhören, dass mir hinterher der Nacken wehtat. Da ich nichts verstand, grinste ich lieb und wiederholte rhythmisch: „Okay, okay.“

Wir fuhren ein Weilchen am grandiosen Shannon River entlang, verließen dann die Hauptstraße und verschwanden immer mehr im grünen, irischen Dickicht. Fast kam man sich vor, wie im Urwald. Immer weiter schlängelten wir uns ins Hinterland hinein, fragten uns langsam, wo der gute Bertie uns wohl hinbringen würde, als der Weg in ein parkähnliches Anwesen mündete, das einem vorkam, wie aus einem vergangenen Jahrhundert. Wir waren am Ziel, oder besser Ausgangspunkt, unseres Wanderritts angekommen, dem An Sibin Riding Center in Whitegate, Clare County. Ja ja, und hier endlich die Fotos, ich weiß, ich weiß.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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