Monatsarchiv: Januar 2014

3 Wochen Chile: Kotzen auf dem Vulkan

Ob ihr es glaubt oder nicht: Ich habe es tatsächlich geschafft, den weltberühmten Vulkan Osorno vollzukotzen. Vermutlich bin ich die Erste. Kriegt man dafür eigentlich eine Auszeichnung oder wird an der Stelle gar eine Plakette installiert? „Hier kotzte am 20.11. Frau Katerwolf in hohem Bogen auf den Vulkan.“?

Nach dem Genuss eines typisch chilenischen Gerichts in einer typisch chilenischen Hafenkneipe ging es mir am nächsten Morgen ausgesprochen schlecht. So schlecht, dass ich vorsichtshalber das Frühstück ausfallen ließ. Auf die Fahrt rauf auf den weltberühmten Vulkan Osorno wollte ich jedoch nicht verzichten. Obwohl mir zugegebenermaßen bei dem Gedanken auf eine 2-stündige Wanderung zum Aussichtspunkt eher mulmig war. Die Fahrt war beeindruckend. Über Serpentinen ging es immer weiter hinauf und noch immer weiter.

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Man hatte das Gefühl von allen Seiten schaue einen der Osorno an. Der Osorno ist wirklich majestätisch. Und aktiv. Sehr sogar. Er gilt als brandgefährlich. Die Wetterumschwünge, die einen beim Aufstieg ereilen können, sind legendär, ihre Opfer sind zahlreich. So mancher kam vom Aufstieg nicht zurück. Wir hatten nur einen kleinen, ungefährlichen Aufstieg zu einem Aussichtspunkt vor uns und das Wetter konnte prächtiger nicht sein. Der Osorno zeigte sich uns an diesem Tag in voller Pracht.

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Die Serpentinen machten meinem Magen zu schaffen, so dass es mir, als wir oben ankamen, eindeutig übel war. Allerdings war die Ankunft im Schnee so beeindruckend, dass ich meine Übelkeit vergaß und mich kurze Zeit später mit der Gruppe auf den Aufstieg machte.

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Ich war noch nicht wirklich weit gekommen, als ein ganz grässliches Gefühl von mir Besitz ergriff. Ich fühlte mich mit einem Mal so schwach und elend, dass ich meine Beine kaum heben konnte. So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Tapfer machte ich noch 5 Schritte und blieb, auf meinen Wanderstock gestützt, stehen. „Jetzt komm schon, du Trödel!“ schallte es mir von oben entgegen. Ich wollte noch sagen: „Ich kann nicht“, das ging dann aber nicht mehr. In hohem Bogen erbrach ich mich und dachte noch dabei: „Oh Gott, das gibts doch nicht, jetzt kotze ich tatsächlich den Osorno voll. Wie peinlich ist das denn!“ Spätestens hier wurde der Gruppe bewusst, dass ich nicht trödelte. Mein Mann kam zurück und schleppte mich zurück ins Aussichtscafé, wo ich bei 2 Tassen Schwarztee allmählich wieder Farbe ins Gesicht bekam. Danach ging es mir erstaunlicherweise wieder gut. Das muss mir erstmal einer nachmachen, oder?

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3 Wochen Chile: Boogie-Woogie am Llanquihue

Die Überschrift musste jetzt einfach sein. Warum, erzähl ich euch gleich. Zunächst nehm ich euch aber nochmal mit auf die Weiterreise. Wie bereits gesagt, flogen wir am frühen Morgen weiter nach Puerto Montt und fuhren von dort mit dem Bus nach Puerto Varas, dem Eingangstor zur chilenischen Seenplatte, malerisch am See Llanquihue gelegen. Warum ich in Puerto Varas keine Fotos gemacht habe, weiß ich auch nicht so genau, vermutlich zu faul, aber ich kann euch sagen: Puerto Varas ist mit das schönste Städtchen, das ich (jetzt) kenne. Überall Holzhäuser, der Flair einer alten Siedlungsstadt und dann der Llanquihue. Was für ein prachtvoller See. Riesig. Der größte rein chilenische See. Man steht davor und denkt, das sei das Meer. Tatsächlich liegt in unmittelbarer Nähe der Pazifik, und das sorgte in der Gruppe mehr als einmal für Verwirrung: „Schau mal, der Pazifik! Wie toll!“ „Ja, vor allem, weil es der Llanquihue ist!“. Wahlweise: „Schau mal, wie toll der See ist!“ „“Ja, vor allem, weil es der Pazifik ist!“. Usw. Fritz, unser weltbester Reiseführer, ließ sich keine Gelegenheit entgehen, uns Kostproben seines leicht rabenschwarzen Humors zu präsentieren.

Kaum in Puerto Varas angekommen, ging es schon auf zur nächsten Wanderung, diesmal im Nationalpark Llanquihue. Ihr denkt jetzt wahrscheinlich, ich sei bekloppt, aber als wir erfuhren, dass die Wanderung „nur“ 5 Stunden dauerte, herrschte in der Gruppe eine völlig relaxte Stimmung. „Was, nur 5 Stunden? Easy. Komm schlag ein, brother!“ Das traumhaft schöne chilenische Seengebiet, übrigens die Region der ersten deutschen Besiedlung in Chile, ab Mitte des 19. Jahrhundert, gilt als die regenreichste Region Chiles. Aber es ist immerhin wärmer als in Patagonien. Also Maul halten. Auf der Fahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung zog eine tiefgrüne, dschungelartige Landschaft am Busfenster vorbei, hier und da ein Holzhaus, Blütenpracht, fruchtbar bis zum Abwinken alles. Wunderschön!

 

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Als wir aus dem Bus stiegen, herrschte eine ausgelassene Stimmung. Das ist das schöne, wenn man mit einer lustigen Gruppe unterwegs ist. Man hat oft das Gefühl, man ist auf Klassenfahrt, oder im Landschulheim und alle haben nur Quatsch im Kopf. So etwa:

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Aber wie kann es anders sein, bei so einem Reiseleiter:

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Dass heißt jetzt nicht, dass alle Gruppenreisen fröhlich sind. Unterwegs sind wir des Öfteren auf sehr, sehr unspaßige Gruppen gestoßen. Reisen ist ja auch eine ernste Angelegenheit, wo kämen wir denn da hin? Egal, wir jedenfalls hatten Spaß. Mal abgesehen von kleinen Ausfällen mitreisender Spaßbremsen („Für den Spruch musst du aber mal 5 € in die Machokasse zahlen!“ und ähnliches). Aber alles in allem war die Stimmung gut bis ausgelassen, wie man sieht. Wie die jungen Elfen bewältigten wir auch an diesem Tag beachtliche Höhenmeter, ohne zu murren, und stapften munter dem nächsten Gipfel entgegen.

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Und wenn man zwischendurch Anwandlungen in die Richtung „Könnte ja jetzt auch gemütlich irgendwo am Strand liegen. Bin ich bescheuert oder was?“ bekommt, kann man sicher sein, dass einem garantiert jemand begegnet, der noch bekloppter ist. So zum Beispiel eine Truppe Danger-Freaks, oder wie man sowas nennt, die mitten in der Pampa, in Neoprenanzügen und Helmen, Wasserfälle runterschliddert.

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Fast schon entspannt erreichten wir nach 3 Stunden Gekraxel den anvisierten Gipfel und futterten unseren sauber verdienten Mittagssnack. Gebt ihr mir Recht, dass sich das Gekraxel für so einen Ausblick gelohnt hat?

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Irgendjemand musste uns an dem Morgen was in Frühstück getan haben. Kanns mir nicht anders erklären, warum wir (fast) alle hoffnungslos albern waren an diesem Tag. Wie gesagt fast. Denn in jeder Gruppe gibt es lustige Menschen und die eine oder andere Spaßbremse. Wir hatten auch die eine oder andere dabei. Der dazugehörige Gesichtsausdruck trieb meiner Lieblingsfreundin Nele und mir mehr als einmal den Schalk in den Nacken. An diesem Tag besonders. Das kennt ihr doch sicher auch: Man schaut jemanden an, zufällig streift man den Blick eines anderen und merkt sofort: 2 Doofe, ein Gedanke. Und schon geht das Gegagger los. Nele und ich waren das ganz gut drin. So kam es, dass wir angesichts des zutiefst mürrischen Gesichtsausdrucks zweier Mitreisenden einen teuflischen Plan ausheckten. Der hatte etwas mit einem von chilenischen Ureinwohnern verhextem Drehkreuz zu tun, das wir alle passieren mussten und dem Fluch, der einen ereilen würde, falls man mit dem Drehkreuz physisch in Berührung kam. Führt jetzt zu weit, das hier zu erklären. Ich kann nur sagen, wir hatten einen Heidenspaß, wir zwei und ich einen, vermutlich seit meiner Schulzeit längsten Lachkrampf. „Da haben sich zwei Flitzpiepen gefunden,“ grinste mich Nele breit an. das mein ich aber auch 😉

Ermattet aber glücklich, ein typisches After-Wander-Feeling, fuhren wir mit dem Bus zurück, und machten noch einen Abstecher ins idyllische Puerto Montt. Was für ein schönes Hafenstädtchen. Auch hier hat man das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Wir schlenderten über den Fischmarkt und aßen in einer typisch chilenischen Hafen-Fisch-Pinte zu Abend.

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Nach dem Genuss dieser typisch chilenischen Mahlzeit bekam ich ordentliche Magenprobleme, die schließlich dazu führten, dass ich am nächsten Tag leider einen Vulkan vollkotzen musste. Aber das war erst am nächsten Tag. Zuvor feierten wir noch ein wenig im Hotel in die Nacht hinein. Es gab nämlich eine Jukebox. Alle Scheiben hörten sich an wie My way auf südchinesisch, aber Spaß hatten wir trotzdem. Es gibt in Chile nämlich ein ganz tolles Nationalgetränk. Das da heißt: Pisco Spur. Prost!

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3 Wochen Chile: Shania Twain-Folter

Kennt einer von euch Shania Twain? Mag die einer? Ich kenne sie jetzt sehr, sehr gut. Und ich mag sie nicht. Zumindest nicht 3 Stunden am Stück in ohrenbetäubender Lautstärke, quasi als Gefangene im Bus. Wie es dazu kam? Das erzähl ich euch jetzt 🙂

Nach unserer gigantomanischen, fantastischen Wanderung zum Mirador del Paine und einem komatösen Schlaf ging unsere Reise am nächsten Morgen zurück nach Punto Arenas, von wo wir am nächsten Morgen nach Puerto Mont am Lago Llanquihue (na, wer weiß, wie man das ausspricht, hä? Hä?) weiterfliegen sollten. Das Wetter hatte sich wieder eingetrübt, aber uns störte das nicht. Verwöhnt vom Vortags-Sahnewetter konnte uns wettermäßig nichts in schlechte Laune versetzen. Auf dem Plan stand außerdem ein Abstecher zu den Ausläufern des Grey-Gletschers, noch im Nationalpark Torres del Paine gelegen. Ich selbst wachte leider mit einem Mega-Schnupfen-Rüssel und -Kopf auf. Nach der Anstrengung vom Vortag und der doch eher kühlen Basistemperatur rings um mich herum, setzte mich eine üble Erkältung schachmatt. Fritz bot mir als Sofortmaßnahme ein (mit Sicherheit auf dem Index stehendes) Schnupfenpulver an, ich beschloss jedoch, die Wirkung des Wundermittels im Businnern abzuwarten und die Wanderung zum Aussichtspunkt ausfallen zu lassen. Zumal es anfing zu pieseln. Und in Chile pieselt es nicht nur einfach ein bisschen, das wächst mit der Zeit. Und dauert. Also Bus.

Gemütlich schaute ich dem Aufbruch meiner, von Kopf bis Fuß in wärmende Regenklamotten eingehüllten, Mitreisenden zu und schickte Ihnen ein „Viel Spaß!“ hinterher. Mein Plan war, einfach völlig gechillt im Bus zu sitzen, meinen Krimi zu lesen und ein paar Mandarinen zu futtern (Vitamin C) und mir ansonsten alle paar Sekunden lautstark die Schniefnase zu putzen. Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne den Wirt gemacht. In diesem Fall Pedro, unseren Busfahrer. Pedro war ein junger, sympathischer Chilene, der uns schon ein paar Tage zuvor durch sein beeindruckendes technisches Wissen beeindruckte. Bus kaputt? Mitten in der Pampa? Null Problemo! Superpedro sprang in seinen neonfarbenen Overall, schraubte am Bus herum und brummbrumm gings weiter. Außerdem war Pedro einfach süß.

Und auch im Bus. Ohne Krimi. „Kennst du Shania Twain?“ fragte er mich hoffnungsfroh, „und Enrique Iglesias?“ Shania Twain sagte mir nicht wirklich was, aber Enrique hatte ich als extrem schmalzigen, singenden Sohnemann von olle Julio in Erinnerung. Ich glaub, der hatte auch mal was mit dieser russischen Tennisspielerin, die auf dem Tennisplatz immer so gestöhnt hat. „Stört es dich, wenn ich die Musik im Bus laufen lasse?“ Also mal ehrlich, wer von euch hätte in dieser Sekunde nein gesagt. 2 Sekunden später schallte es in ohrenbetäubender Lautstärke aus den leicht scheppernden Buslautsprechern. „Uuuhuuuhuuu jodel quäk, jammer, schmacht, seufz.“ Begleitet von einem lautstark mitsingendem Pedro. Wow, absolut grauenhaft. Das Eine wie das Andere. Andererseits war die Situation auch einfach entzückend. Könnt ihr euch so eine Situation in Deutschland vorstellen? Nö, ne? Trällernd kam Pedro zu mir und setzte sich beherzt neben mich. Na gut, dann frisch ich halt meine Sprachkenntnisse auf, beschloss ich und stopfte den Krimi in meine Tasche. Eine ganze Weile saßen wir so da und brüllten uns vor dem Hintergrund einer noch lauter brüllenden Shania Twain, im Wechsel mit Enrique, an. Ich erfuhr, dass er aus Punto Arenas kam, zum zweiten mal verheiratet war, 2 Kinder hatte, früher als Pferdeheiler gearbeitet hat und ich lernte sehr viel über Punto Arenas, seine Bewohner und dem großen Glück, in Patagonien leben zu dürfen, einer Region, in der Menschen leben, die Freiheit und Einsamkeit und grenzenlose Weite schätzen und dafür eine Sommer-Durchschnittstemperatur von 6 Grad in Kauf nehmen (den Winter lassen wir jetzt mal weg, brrr). Ich erfuhr auch einiges über Fußball, aber ich muss gestehen, dass meine Spanischkenntnisse nicht ausreichen, um mich über Fußball unterhalten zu können.

Nach etwa 1 Stunde stellte ich fest, dass ich heiser war. Das lag zum einen an der Erkältung, zum andern an dem Versuch, Shania und Enrique zu überbrüllen. Außerdem war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich große Lust hatte, in Enriques Luxusvilla zu fahren, wo er mit Sicherheit lauthals singend mit Shania und der stöhnenden Russin im Pool herumplantschte und alle 3 zu ertränken. Auch wenn die Russin nichts dafür kann. Ich bat Pedro vorsichtig, die Musik etwas leiser zu stellen. „No te gusta Shania?“ fragte er mich ganz offensichtlich enttäuscht und traurig. „Si, si, me gusta mucho! Perro tengo un muy grande Influenzia!“ Ich weiß nicht, ob er mir das abnahm. Ich glaube ehrlich gesagt nicht. Jedenfalls stellte er die Musik ganz ab und stieg aus, um sich ausgiebig einem Pferd zu widmen, das gerade, mit einem Parkranger obenauf, des Weges kam. Ich beobachtete ihn eine Weile, und das, was er mit dem Pferd so machte, ließ tatsächlich seine besondere Beziehung zu Pferden erkennen. Faszinierend.

Gerne hätte ich, selbst Pferdefan und Reiterin, mehr von ihm darüber erfahren, aber schon kam unsere durchnässte, aber zufriedene Gletschergruppe zurück und mein stolzer Gatte brachte diese Fotos mit:

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Den Rest des Tages und Abends verbrachte ich in einem denkwürdigen Zustand, den man ganz gut als Mischmasch zwischen Erkältungsdoping und Rotwein bezeichnen kann. Ich erinnere mich noch, dass ich ziemlich glückselig einschlief. Hatte schließlich Urlaub.

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3 Wochen Chile: El Mirador del Paine

Wo war ich stehengeblieben? Richtig, in Torres del Paine. Ihr erinnert euch noch an die schöne Wanderung bei stürmischem Wetter und an das kalte Hotelzimmer mit der kaputten Heizung? Dann habe ich jetzt 2 gute Nachrichten für euch: Numero Uno: Die Heizung war repariert und wir verbrachten eine kuschelig warme Nacht. Numero dos: Als wir am nächsten Morgen erwachten, hatten wir Postkartenwetter. Genau so, wie wir alle uns Patagonien vorgestellt hatten. Stahlblauer Himmel, gestochen scharfe Schneegipfel ringsum, klare Luft. Das ist übrigens ein Phänomen in Patagonien, aber auch im restlichen Chile. Das Wetter wechselt unglaublich schnell. Und ist auch absolut wechselhaft und daher für Wanderer nicht ungefährlich. Ein weiteres Phänomen ist, dass man tagelang im strömenden Regen und Kälte umherwandern kann und kaum kommt die Sonne raus und strahlt vom blauen Himmel, zonk ist das schlechte Wetter vergessen und das innere Kind jubiliert: „Was für ein perfekter Tag!“ So war es auch, als wir am Morgen in den Frühstückssaal mit den Panoramafenstern kamen und sich uns dieser Anblick bot:

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In der Gruppe herrschte an diesem Morgen eine „Entdecker-Stimmung“, zumal uns unser weltbester Reiseleiter Fritz bereits am Abend zuvor heiß gemacht hatte, dass uns heute die größte Wanderung der Tour bevorstehen würde: Ein Aufstieg auf den berühmten Mirador del Paine. Eine Wanderung von 7-8 Stunden, unzählige Kilometer galt es zu bezwingen, beachtliche Höhenmeter zu erklimmen. ein bisschen hatte ich Schiss, da ich nicht genau beurteilen konnte, was da jetzt konkret auf mich zukam. Aber zunächst kam eine der schönsten Busfahrten, die ich je gemacht habe. Schaut selbst!P1020097

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Das gute an Wanderungen, die man nicht kennt, ist, dass man vorher nie so GANZ genau weiß, was auf einen zukommt. Das ist auch gut so. Denn wenn dem so wäre, würde man wohl öfters einfach im Bus oder in der warmen Stube oder am Hotelpool sitzen bleiben. Als wir an diesem Morgen aufbrachen, waren wir zwar alle etwas aufgeregt, aber voller Tatendrang. Fritz war als Reiseleiter ein Realist. Danke dafür, lieber Fritz. So verbreitete er vor einer langen, anstrengenden Wanderung keine Lügen, sondern sagte fast schon brutal Dinge wie:“Heute wird es lange, steil und es wird regnen.“  Vor dieser Wanderung sagte er:“Heute wird es anstrengend. Aber es lohnt sich. Wir werden viel Strecke machen, 7-8 Stunden unterwegs sein, wir werden viele Höhenmeter machen, und die letzten 350 Meter gehen wir steil über Geröll bergauf. Wem das zu viel ist, der kann nach dem 1. Drittel eine Alternativwanderung von 3 Stunden machen.“ So ganz geheuer war mir das nicht, aber ich spürte auch den Kitzel der Herausforderung. Los gings!

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Und es ging bergauf, bergauf und dann nochmal ein Stück bergauf. Nach etwa 1 Stunde bergauf beschlossen 2 aus der Gruppe, die Alternativwanderung zu machen. Sofort. „Ach geh ihr Leit,“ grinste Fritz in breitem, österreichischen Dialekt „Jetzt HABTS euch net so. Kommts halt noch a Stückel mit zum Chilenen, machts dort a Brotzeit und entscheidets dann, ob ihr zurückgeht. Zum Chilenen gehts jetzt eine halbe Sunde gemütlich bergab.“ Und auf dem Rückweg wieder bergauf, flüsterte eine Stimme in mir, der ich gleich einen Maulkorb verpasste. Am Chilenen, einer idyllischer Weghütte, angekommen, machten wir eine kleine Vesper, und schon bald blies Fritz zum Abmarsch. 3 beschlossen zurückzugehen, Gatte inklusive, und Fritz nutzte meine Unentschlossenheit aus, um mich zum Weitergehen zu motivieren. Ich fand mich echt mutig, als ich na gut sagte. Und dann ging es weiter, weiter und weiter und höher und bergauf, bergab und immer so weiter, Stunde um Stunde, der Wahnsinn, ich sags euch. Hier und da gab es eine kleine Minirast, bei der man an klaren Bächen und Flüsschen seine Trinkflaschen mit sprudelnd kaltem Trinkwasser auffüllen konnte. Wie im Schlaraffenland.

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Und schon gings wieder weiter. Ich hielt erstaunlich gut mit, merkte jedoch, wie sich langsam ein etwas bleiernes Gefühl in meine Beine einschlich. Als wir nach gefühlten 10 Stunden am Beginn des letzten Aufstiegs standen, war ich mir nicht sicher, ob ich es bis zum Ende schaffen würde.

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„Na komm schon, du Pinguin, den Rest schaffst du auch noch!“ sprach und verschwand vor mir im Wald, der Fritz. Etwa 30 Minuten ging es auf einem schmalen, Waldpfad steil nach oben, über Baumwurzeln und Steine hinweg, ich hatte das Gefühl, bei jedem Schritt schwerere Beine zu bekommen. Es herrschte ein reger Gegenverkehr von Wanderern, die beschwingt und leichtfüssig den Abstieg herunterhüpften und einem aufmunternde Dinge wie „Almost there!“ zuriefen. „Ich kann nicht mehr, Fritz, ich kehr um!“ rief ich plötzlich. „Aber natürlich kannst du noch. Du wirst doch nicht auf den letzten Metern schlapp machen! Komm, ich helf dir, geh einfach neben mir und in meinem Rhythmus. Na los, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß! Und schau auf gar keinen Fall nach oben!“ Seht ihr da oben die Männeken auf dem Foto? Ja, das sind wir, die Helden des Mirador del Paine.

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Und tatsächlich, wie ein linker Fuß, rechter Fuß-Roboter schaffte ich mich Meter für Meter hoch und dann hörte ich Fritz sagen:“So, jetzt kannst du hochschauen, jetzt hast du es geschafft!“ WOW. Der Anblick, der sich mir bot, übertraf meine kühnsten Vorstellungen. Unglaublich!

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Da oben herrschte eine Heldenstimmung. Jeder, der es bis hierher geschafft hatte, ließ sich in Siegerpose fotografieren und staunte ansonsten einfach nur glückselig dieses Gipfelparadies an. Wir blieben nicht zu lange, denn vor uns lag ein langer Rückweg, Stunden bergauf, bergab und wieder ein bisschen bergauf, bergab. Aber das machte nichts. Irgendwie waren alle mit Glückshormonen vollgepumpt, und als Fritz uns aufforderte, im eigen Rhythmus zum Bus zurückzumarschieren, er selbst würde den Schlussmann machen, flogen wir buchstäblich den Geröllhang hinab und riefen den schnaufenden Aufsteigern entgegen „Almost there!“ Bald war ich allein, ein wunderbares Gefühl, ich ließ meine Wanderschuhe fliegen und mein Herz hüpfte in meiner Brust herum wie ein junger Vogel. Irgendwann verlor ich das Zeitgefühl und spürte einfach nur meine Beine, die liefen und liefen und ich fühlte mich leicht und frei. „NICHT am Chilenen ausruhen, hörts ihr? Wenns euch ausruht, stehts nie mehr wieder auf!“ gab uns Fritz vor dem Abstieg mit auf den Weg. Tatsächlich schienen mich meine Beine buchstäblich auf die sonnigen Holzbänke zu ziehen wie Magneten, als ich am Chilenen ankam. Aber tapfer widerstand ich der Versuchung und machte nur ein paar Fotos.

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Die größte Herausforderung der Strecke folgte stehenden Fußes. Der staubige, schier endlose Anstieg vom Chilen hoch. Vorher erfolgreich verdrängt, lag er nun vor mir wie ein Schreckgespenst. Ich war allein. Also ließ ich meiner schlechten Laune freien Lauf und bewältigte den letzten Anstieg unter Gebrauch meines gesamten Schimpf-Vokabulars. Und ich sag euch, das ist beachtlich. Was solls, wenns hilft! Irgendwann war ich dann oben. Erleichtert schaute ich ins Tal hinab, nun lag nur noch ein wunderbarer Abstieg vor mir, irgendwo im Tal stand der Bus, und mit mir passierte etwas Sonderbares. Von irgendwoher kam ein Powerschub, den ich so noch nicht erlebt hatte. Ich sauste regelrecht mit Riesenschritten an allen vorbei dem Tal entgegen. Sachen gibts. Einmal blieb ich aber stehen. Sachte drehte ich mich, den Blick auf den Gipfel gerichtet, von dem ich gerade kam und dachte daran, dass ich im Jahr 2010, nach meiner schweren Erkrankung in einer Verfassung war, dass ich mich nur mühsam um den Block schleppen konnte. Und jetzt, 3 Jahre später, habe ich diese Wanderung geschafft. Das Leben ist und bleibt ein wunderbares Abenteuer.

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3 Wochen Chile: Das Wandern ist des Müllers Lust

Wo war ich stehengeblieben? Richtig, kaputte Heizung, kalte Nacht. Aber ich sag euch, Aktiv- bzw. Trekkingreisen zu buchen, hat einen enormen Vorteil. Man trifft in der Regel auf sportliche, unkomplizierte Zeitgenossen, die gruppentauglich sind und nicht wegen jeder Lapalie ein Mordstheater veranstalten. Schlechtes Wetter? Gibt es nicht. Gibt nur falsche Kleidung. Zu heiß? Egal. Zu Hause ist es dann meist kalt. Hotel nicht schön? Egal, Hauptsache Dach über dem Kopf und Bett zum Schlafen. Essen schmeckt nicht? Auch wurscht. Hauptsache was im Bauch. Nervige Mitreisende? Och jo, in der Gruppe findet sich sicher jemand, mit dem man über betreffende Person wunderbar abtratschen kann.

Sagte ich eben Trekkingreise? Haben wir echt eine Trekkingreise gemacht? Jou, man, haben wir. Ohne unser Wissen. Sowas kommt vor, wenn man sich im Vorfeld die Reiseunterlagen nicht wirklich gründlich durchliest und im Kopf „das bisschen Wandern wird doch wohl zu machen sein“ abgespeichert hat. Dann wird man eines Besseren belehrt. Und trekkt. Trekkt sowas von. Hat die falschen Klamotten dabei. Leiht sie sich zusammen. Und dann wird alles gut und hinterher kann man beiläufig in den Raum werfen, dass man eine Trekkingreise gemacht hat. In den Anden. Jawoll ja.

Aber zurück zu besagtem Morgen. Leicht schlotternd saßen wir im Frühstücksraum und schauten durch die Panoramafenster in den Regen. Tja. Da hilft nur Fritz`morgendliche Motivationsrede, ganz nach dem Motto: „Schauts, heut wandern wir. Im Vale de Frances. Die Wanderung wird etwa 5 Stunden dauern. Ziehts euch warm an. Ziehts euch Regensachen an. Es wird heute nass.“ 15 Minuten später saß eine bis an die Zähne mit Trekkingklamotten bestückte Truppe im Bus, zu allem bereit. 

Zum Ausgangspunkt der Wanderung ging es mit der Fähre.

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So sieht übriges ein glücklicher, trockener, warmer wander-Katerwolf aus:

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Der Nationalpark Torres del Paine ist ein Traumziel für Trekker aus der ganzen Welt. Viele machen ein mehrtägiges Trekken, so richtig mit Zelt und Rucksack durch die Gegend schleppen. So kommt es, dass man dort viele wanderlustige Hardcore-Truppen trifft, die meiner Meinung nach nicht beneidenswert sind. Beim Anblick des Basislagers einer solchen Truppe, der windgepeitschen Kugelzelte im kalten Regen, gewinnt auch ein ungeheiztes Hotelzimmer an Charme 🙂

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Unsere erste Wanderung hatte es in sich. Gar nicht mal ob der Distanz und Höhenmeter, vielmehr forderte uns das anstrengende Klima einiges ab. Böiger Wind, Regen, Temperaturen um die 6 Grad. Würde ich so etwas freiwillig zu Hause machen? Nö. Aber Gruppendynamik und sanfte Arschtritte seitens des Reiseleiters machen so etwas möglich. Und siehe da: Auf einmal, angesichts der überwältigenden Landschaft und des stürmischen Wetters, bei dem einem Worte wie  Naturgewalten, Urgewalt, schroff, abweisend, überwältigend, fantastisch in den Sinn kommen, machte es im Hirn plötzlich klick und wir waren angekommen. In Chile. Im fernen Patagonien. Irgendwo da, am Ende der Welt.

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Hier seht ihr eine prachtvolle Magelangans:

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Unsere erste Wanderung war insgesamt toll. Toll. Toller. Am Tollsten. Trotz eines konstanten, eher strammen Tempos gab es genug Zeit zum Innehalten, Staunen, Fotografieren, Müsliriegel verdrücken und sich untereinander ständig, wie die Affen, zuzurufen: „Ist das nicht absolut überwältigend und fantastisch?“ Ist es. 

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Am Abend saß eine sehr müde, sehr glückliche Gruppe vor diversen Flaschen Rotwein 🙂

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