„Du musst UNBEDINGT diese Wunderbürste ausprobieren!“ sagte meine gute Freundin Tara vor einigen Tagen beschwörend zu mir. „Du siehst mit glatten Haaren VIEL besser aus! Probiers einfach, du wirst begeistert sein!!!“
Ich bin mit Locken geboren. Kein Afrolock, aber eben Locken. Ich mag meine Locken. Natürlich gab es immer mal Phasen, in denen ich meinen Locken zeigen wollte, wo der Hammer hängt. Nach einer langen Phase der langen, blonden Locken in meiner Kindheit folgte eine kurze, schmerzhafte Phase des kurzen Rundschnitts. War damals der neuste Schrei. Da ich bereits mit 13 Jahren 1, 78 m lang war und zudem dürr wie eine Bohnenstange, sah ich aus wie ein Bambusrohr mit Mireille Mathieu-Frisur. Grässlich. Diese Phase brachte mir in der Schule den Spitznamen Giraffe ein. Irgendwann waren die Haare wieder lang, und im Alter von 15 ließ ich mir zur großen Freude meines Vaters eine trendige Dauerwelle mit glattem Pony anfertigen: „Meine Tochter ist jetzt ein Pudel. Ein Schaf. Ein Schafspudel. Du bist nicht mehr meine Tochter!“ Ich bin es immer noch, die Dauerwelle wuchs raus und ich ging relativ nahtlos in die Punkphase über und erfreute meine Lehrer und Eltern mit halbrasiertem Schädel und einer damals hochmodernen Billy Idol-Frisur. Da ich immer noch lang und dürr war, wurde ich in dieser Phase regelmäßig von Schwulen UND von Frauen angebaggert. In einem Urlaub in Sizilien, in dem meine blondgelockte Freundin Moni sich nur mit Mühe der heißblütigen, sizilianischen Avancen erwehren konnte, ging ich glatt als ihr Bruder durch und hatte meine Ruhe. Was ich damals eher Scheiße fand. Ich wollte auch einen heißblütigen Sizilianer und bekam keinen.
Als ich zum Studium nach Berlin zog, in den 80er Jahren, lebte ich meine Punkphase ausgiebig bis zur Neige aus und tanzte zu den Klängen der Einstürzenden Neubauten im legendären Exil bis 6 Uhr morgens auf der gekachelten Theke herum. Geile Zeit, geile Frisur. Es folgte dann eine klassische Spätachtziger-Phase mit der heute noch in manchen sozial schwachen Stadtteilen, in der die Kinder Schantall und Dscheraldine heißen, gängigen Kokospalmenfrisur. Das ist dieser Zopf, der oben auf der Kopfmitte gebunden wird und bei jedem und immer Scheiße aussieht. In meinen 18 Berliner Jahren waren meine Haare lang und glatt, lang und lockig, raspelkurz schwarz, raspelkurz platin, mittellang glatt schokobraun usw. Gegen Ende meiner Berlinzeit war ich wieder bei meinen Wurzeln angelangt: Lang, blond, lockig. Allerdings ließ ich mir meine Mähne kurz vor meinem Abgang aus Berlin, als meine Ehe explodierte und ich völlig von den Socken war, aus purem Frust die Haare wieder raspelkurz schneiden, um ein Zeichen zu setzen. Ab mit den alten Zöpfen!
Ende der 90er Jahre landete ich dank eines guten Jobangebots wieder in heimischen Gefilden und bei einem neuen Friseur, dem ich bis heute die Treue halte. Mein lieber Mikele – ein Sizilianer 😉 . Ich durchlebte mit Mikele bislang viele Phasen, unter anderem eine seriöse, in der ich auch meinen jetztigen Mann kennenlernte. Später offenbarte er mir: „Ich fand dich toll, aber deine Frisur, man, die war Scheiße. Sah aus wie aus Beton gegossen. Was WAR ich froh, als ich beim Segeln entdeckte, dass du Locken hast!“
Wie auch immer, Mikele sieht in mir tief in seinem Herzen eine dunkelhaarige Frau mit glattem Bob und versucht mich alle Jahre wieder von dieser Idee zu begeistern. Vergebens. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er mir die Haare immer glatt föhnen darf, was mich ganz schön verändert und zu geteilten Meinungen führt: „Wow, siehst du HAMMER aus!“, “ Du siehst irgendwie angedatscht aus, wie ein Pfannkuchen!“ Ich laufe dann immer 1 Tag als glattgeföhnte Beauty mit schwingendem Haar durch die Gegend, dann wasche ich die Haare und bin wieder ein zufriedenes Pudelschaf. Ich bin einfach zu faul, mir jeden Morgen 1/2 Stunde die Haare mit 3 verschiedenen Bürsten zu föhnen. Meinem Mann und meinem Sohn gefalle ich lockig, da das offenbar zu meinem Charakter passt. Was auch immer das heißen mag. Es gibt jedoch eine größere Fraktion, die mich immer wieder aufs Neue zu motivieren versucht, sie glatt zu föhnen. So wie kürzlich meine gute Freundin Tara (siehe oben). So kam es, dass ich heute morgen mit der Wunderbürste bewaffnet im heimischen Bad stand und meine Haare trockenbürstete. Resultat: Reicht eure Vorstellungskraft aus, sich ein Pudelschaf vorzustellen, dessen Fell man mit Glätteisen behandelt hat? Genauso sehe ich aus. Und untenrum fängt es sich schon wieder an zu locken. Ich überlasse das Glattgeföhne künftig wieder alle 5 Wochen dem lieben Mikele und ansonsten gilt die Devise: Freiheit für meine Locken!
Habt nen schönen, befreiten Tag, eure Pudelschafwolf 😆